Vitamin B12 bei pflanzlicher Ernährung: Warum alle supplementieren müssen
Ein weit verbreiteter Mythos: "B12 kommt nur in tierischen Produkten vor, deshalb ist vegane Ernährung unnatürlich." Das ist falsch. Fakt ist: Vitamin B12 wird ausschließlich von Bakterien produziert ...

Die Wahrheit über B12: Kein Tier produziert es
Ein weit verbreiteter Mythos: "B12 kommt nur in tierischen Produkten vor, deshalb ist vegane Ernährung unnatürlich." Das ist falsch.
Fakt ist: Vitamin B12 wird ausschließlich von Bakterien produziert - weder Pflanzen noch Tiere können es selbst herstellen. Tiere bekommen B12 entweder:
- Durch Bakterien in ihrem Verdauungssystem (bei Wiederkäuern wie Kühen)
- Durch Futter-Supplementierung in der Massentierhaltung (Schweine, Hühner, Puten)
- Durch verunreinigte Pflanzen und Wasser (Wildtiere)
85-90% aller weltweit produzierten B12-Supplemente gehen in die Tierfütterung. Wer Fleisch isst, supplementiert also indirekt - nur über den Umweg des Tieres. Das ist ineffizienter und mit Tierleid verbunden.
Warum früher keine B12-Supplementierung nötig war:
- Menschen tranken Wasser aus Bächen und Quellen (enthielt B12-produzierende Bakterien)
- Pflanzen wurden nicht so gründlich gewaschen (Bodenreste mit Bakterien)
- Böden waren gesünder und mikrobiell aktiver
- Menschen aßen gelegentlich Insekten (enthalten B12)
Heute: Chloriertes Trinkwasser, ausgelaugte Böden, Pestizide, sterile Lebensmittel - alle natürlichen B12-Quellen sind verschwunden. Supplementierung ist für alle Menschen sinnvoll - egal ob pflanzlich oder omnivor ernährt.
Studien zeigen: 40% der Omnivore über 60 Jahre haben suboptimale B12-Werte - trotz Fleischkonsum. Grund: Nachlassende Magensäureproduktion und Intrinsic Factor (für B12-Aufnahme nötig).
B12-Mangel: Symptome und Folgen
B12-Mangel entwickelt sich schleichend über 2-5 Jahre (Körperspeicher reichen lange) und kann schwere Folgen haben:
Frühe Symptome (nach 1-2 Jahren)
- Müdigkeit und Erschöpfung: B12 ist essentiell für Energieproduktion in Mitochondrien
- Konzentrationsprobleme: Gehirn braucht B12 für Neurotransmitter-Synthese
- Leichte depressive Verstimmungen: B12-Mangel beeinflusst Serotonin-Produktion
- Kribbeln in Händen/Füßen: Erste Anzeichen von Nervenschäden
- Blässe: Gestörte Blutbildung
Mittlere Symptome (nach 2-3 Jahren)
- Taubheitsgefühle: Demyelinisierung der Nerven schreitet fort
- Gedächtnisprobleme: Hippocampus (Gedächtniszentrum) ist besonders empfindlich
- Gangunsicherheit: Rückenmarksschäden (funikuläre Myelose)
- Zungenbrennen: Hunter-Glossitis (glatte, rote Zunge)
Späte Symptome (nach 3-5 Jahren)
- Megaloblastäre Anämie: Schwere Blutarmut
- Permanente neurologische Schäden: Irreversible Nervenschäden
- Demenz-ähnliche Symptome: Kognitive Einbußen
- Depressionen: Schwere psychische Probleme
- Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Durch erhöhte Homocystein-Werte
Kritisch: Neurologische Schäden durch langfristigen B12-Mangel können irreversibel sein - auch wenn man später supplementiert. Nach 2-3 Jahren mit schwerem Mangel sind dauerhafte Nervenschäden möglich. Deshalb: Vorsorge ist besser als Heilung.
Wer ist besonders gefährdet?
- Menschen mit rein pflanzlicher Ernährung (ohne Supplementierung)
- Menschen über 50: Reduzierte Magensäure = schlechtere B12-Aufnahme aus Nahrung
- Menschen mit Magen-Darm-Erkrankungen: Morbus Crohn, Zöliakie, Gastritis
- Menschen nach Magen-OPs: Fehlender Intrinsic Factor
- Menschen mit bestimmten Medikamenten: Magensäureblocker (PPI), Metformin
- Schwangere/Stillende: Erhöhter Bedarf (6 µg/Tag statt 4 µg)
Richtig supplementieren: Dosierung und Formen
Welche B12-Form ist die beste?
Es gibt mehrere Formen von B12 - nicht alle sind gleich gut:
1. Cyanocobalamin
Vorteile: Günstig, sehr stabil, gut erforscht, in den meisten Studien verwendet
Nachteile: Muss im Körper zu bioaktiven Formen umgewandelt werden, enthält minimale Mengen Cyanid (unbedenklich)
Fazit: Gute Basis-Option für die meisten Menschen.
2. Methylcobalamin
Vorteile: Bioaktive Form, direkt verwertbar, besonders gut für Nervensystem
Nachteile: Weniger stabil (lichtempfindlich), etwas teurer
Fazit: Empfohlen bei genetischen Varianten (MTHFR-Mutation) und neurologischen Symptomen.
3. Hydroxocobalamin
Vorteile: Depotform, bleibt länger im Körper, gut verträglich
Nachteile: Teurer, seltener erhältlich
Fazit: Ideal bei Aufnahmestörungen oder für Injektionen.
4. Adenosylcobalamin
Vorteile: Zweite bioaktive Form (neben Methyl), wichtig für Mitochondrien
Nachteile: Sehr teuer, selten als Einzelpräparat
Fazit: Oft in Kombipräparaten mit Methylcobalamin.
Unsere Empfehlung: Methylcobalamin oder Hydroxocobalamin bevorzugen - besonders bei:
- Bestehenden neurologischen Symptomen
- MTHFR-Genmutation (betrifft ~30% der Bevölkerung)
- Aufnahmestörungen
Wie viel B12 brauche ich?
Die Aufnahme von B12 über den Darm ist begrenzt - deshalb brauchen Supplemente höhere Dosen als die empfohlene Tageszufuhr (4 µg).
Tägliche Einnahme (empfohlen):
- 250-500 µg Methylcobalamin 2x täglich (zu den Mahlzeiten) - hohe Absorption durch mehrfache Einnahme
- 1000 µg Methylcobalamin 1x täglich (morgens)
Wöchentliche Einnahme (alternativ):
- 2000 µg Methylcobalamin 2x pro Woche (z.B. Montag + Donnerstag)
Bei nachgewiesenem Mangel (Holo-TC unter 50 pmol/l):
- 1000 µg täglich für 3 Monate, dann Kontrolle
- Bei schwerem Mangel: Hydroxocobalamin-Spritzen (1000 µg, 1x wöchentlich für 8 Wochen)
Schwangere und Stillende:
- 1000 µg täglich - erhöhter Bedarf für fetale Entwicklung und Muttermilch
Wichtig: Mehr ist bei B12 nicht schädlich - Überschuss wird einfach ausgeschieden. Hohe Dosen sind sicher (auch 5000 µg täglich).
Blutwerte kontrollieren - die richtigen Marker
Lassen Sie regelmäßig (alle 1-2 Jahre) diese Werte prüfen:
1. Holo-Transcobalamin (Holo-TC) - DER BESTE MARKER
Was misst es? Aktives, verwertbares B12
Optimalwert: >50 pmol/l (besser: >75 pmol/l)
Grenzwertig: 35-50 pmol/l
Mangel: <35 pmol/l
2. Methylmalonsäure (MMA) - Funktionsmarker
Was misst es? Funktionellen B12-Mangel (steigt bei Mangel)
Optimalwert: <300 nmol/l
Grenzwertig: 300-400 nmol/l
Mangel: >400 nmol/l
3. Homocystein - Zusatzmarker
Was misst es? Abbauprodukt (steigt bei B12/Folsäure-Mangel)
Optimalwert: <10 µmol/l
Grenzwertig: 10-15 µmol/l
Erhöht: >15 µmol/l (erhöht Herz-Kreislauf-Risiko)
4. Serum-B12 - NICHT ZUVERLÄSSIG
Warum nicht? Misst auch inaktive B12-Analoga, kann trotz Mangel normal sein
Nur grobe Orientierung: <200 pg/ml = Mangel wahrscheinlich, >400 pg/ml = wahrscheinlich ausreichend
Besser: Holo-TC + MMA messen lassen
Kosten: Holo-TC ~25-30€, MMA ~30-40€, Homocystein ~15-20€ (meist Selbstzahlerleistung, aber lohnenswert)
B12 in Lebensmitteln - reicht das nicht?
Eine häufige Frage: "Kann ich nicht einfach angereicherte Lebensmittel essen statt zu supplementieren?"
B12-Gehalt in pflanzlichen Lebensmitteln:
- Angereicherte Hafermilch: ~1 µg pro 100ml (müssten 1 Liter trinken für 10 µg)
- Angereicherte Cornflakes: ~2-3 µg pro Portion
- Nährhefe (angereichert): ~4 µg pro EL (nicht alle Marken!)
- Chlorella/Spirulina: Enthält B12-Analoga (NICHT verwertbar, kann Tests verfälschen)
- Tempeh, Sauerkraut: Minimale Mengen, nicht zuverlässig
Problem: Um 250 µg B12 zu erreichen (empfohlene Tagesdosis für Supplemente), müssten Sie unrealistische Mengen angereicherter Lebensmittel essen. Außerdem:
- B12-Gehalt in Lebensmitteln schwankt stark
- Aufnahme aus Lebensmitteln ist begrenzt (~1,5 µg pro Mahlzeit)
- Nicht alle Produkte sind zuverlässig angereichert
Fazit: Angereicherte Lebensmittel können helfen, sind aber kein Ersatz für gezielte Supplementierung. Ein Supplement kostet 10-15€ pro Jahr - das ist es wert für Ihre Gesundheit.
Häufige Fragen zu B12
1. Ist B12-Supplementierung nicht unnatürlich?
Antwort: B12 kommt aus Bakterien - Supplemente werden biotechnologisch von Bakterien produziert. Das ist die direkteste natürliche Quelle. "Natürlicher" als über den Umweg eines Tieres, das ebenfalls supplementiert wurde.
2. Kann ich zu viel B12 nehmen?
Antwort: Nein, B12 ist wasserlöslich. Überschuss wird über Urin ausgeschieden. Selbst 5000 µg täglich sind unbedenklich. Es gibt keine bekannte Toxizität.
3. Warum so hohe Dosen, wenn Bedarf nur 4 µg ist?
Antwort: Die Aufnahme über den Darm ist begrenzt:
- Aktive Aufnahme (mit Intrinsic Factor): Max. ~1,5 µg pro Mahlzeit
- Passive Diffusion: Nur ~1% der Dosis wird aufgenommen
4. Wie schnell wirkt B12-Supplementierung?
Antwort: Bei Mangel:
- Energielevel: Verbesserung nach 1-2 Wochen
- Blutbildung: Normalisierung nach 6-8 Wochen
- Neurologische Symptome: 3-6 Monate (manchmal länger)
5. Muss ich B12 zu den Mahlzeiten nehmen?
Antwort: Bei sublingualen Tabletten (unter der Zunge) nicht nötig. Bei normalen Tabletten leicht bessere Aufnahme mit Essen (wegen Magensäure und Intrinsic Factor). Wichtiger ist: regelmäßig nehmen!
6. Was ist mit B12-Spritzen?
Antwort: Nur nötig bei:
- Schwerem Mangel mit neurologischen Symptomen
- Aufnahmestörungen (Morbus Crohn, fehlender Intrinsic Factor)
- Zustand nach Magen-OP
7. Kann Folsäure B12-Mangel maskieren?
Antwort: Ja, hohe Folsäure-Dosen können Blutbild normalisieren, während neurologische Schäden weitergehen. Deshalb: Niemals nur Folsäure supplementieren ohne B12! Beide zusammen sind sicher.
Fazit: B12-Supplementierung ist für pflanzlich lebende Menschen nicht verhandelbar. Es ist kein Zeichen von "Mangelernährung", sondern Anpassung an moderne Lebensbedingungen (Hygiene, ausgelaugte Böden). Kosten: ~10-15€/Jahr. Nutzen: Schutz vor irreversiblen Nervenschäden. Die Entscheidung ist einfach.
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